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Neubau SVS Landesstelle Vorarlberg

2021

Büro

6850 Dornbirn, AT

1. Preis EU-weiter Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen

      • Zur Organisation der Menschen in einer Stadtgesellschaft bedarf es der Aufteilung der Arbeit und der Zuständigkeiten sowie der zweckmäßigen Ordnung des Raums. Ist der Raum verteilt, die Ordnung konzipiert, werden die Lücken zu den Playern im Gefüge. Inhalte, mögliche urbane Interaktionen und Raumaneignungen als auch die Texturen des Raumes und der Gebäude werden zur prägenden Ganzheit. So wie der Flaneur (W. Benjamin) keinem Ziel folgt und sich scheinbar nur für das Belanglose, für die vermeintlichen überschaubaren Abdrücke in der Textur der Stadt und des ihn umgebenden Raumes interessiert so selbstverständlich offenkundig integriert sich das neue Gebäude der SVS in das vorgegebene städtische Schema einer durchlässigen Sequenzierung entlang eines schmalen Tableaus zwischen Bahntrasse und Poststrasse. Als Auftakt und Abschluss dieser seriellen, klaren Anordnung ist der neue Sechsgeschosser mit seinen attraktiven Außenräumen Bestandteil einer veränderten Wahrnehmung des Bahnhofsviertels hin zu einem nachhaltigen, resilienten und ökologischen Hotspot der Mobilität und der Kontingenz an dem sich Dienstleistungszentren und andere analoge Versorgungsstrukturen durchkreuzen. Das neue Gebäude ist aber auch jenes städtebauliche Passstück, das in Höhe und Form an die gegenständlichen baulichen Vorgaben anknüpft und dabei die Freiräume offen legt. Es fasst einen neuen Platz, der dem Neugebäude und dem Eingang das notwendige Vorfeld gibt und verfestigt sich mit seinem zukünftigen Gegenüber zum markanten räumlichen Anker. Die innere organisatorische Logik folgt konsequent den Überlegungen der vorbereiteten Studien. Architektur entsteht durch Raum - Raum entsteht durch Interaktion - Interaktion entsteht durch Kommunikation - Kommunikation entsteht durch räumliche und soziale Porosität. Dem Herzen des Gebäudes sind daher halboffene, zweigeschossige Austausch-Räume (Teeküchen) zugeordnet, die sich einem Mäander gleich versetzt nach oben addieren und die unterschiedlichsten Licht- und Blickbeziehungen innerhalb der Geschosse generieren. Beinahe ringförmig um diese innere Luftigkeit organisiert sich die Bürolandschaft mit dem Rückhalt eines 135 cm Rasters, der aber entsprechend den individuellen Anforderungen der Nutzer auch völlig aufgebrochen werden kann. So sind Zellenstrukturen, halboffenen Bürobereiche oder eine völlig offene Bürolandschaft mögliche Varianten. Der atmosphärischen inneren Praktik und der organisatorischen Klarheit folgend offenbart sich auch die Gestaltung und die technische Reduktion innerhalb dieses Hybridbaus. Der architektonische Ausdruck, die Fassade zieht förmlich an den Zügen vorbei. Die horizontalen Bahnen aus Beton ziehen gleisend nach oben, schützen vor dem Zenitlicht im Sommer, sorgen für die notwendigen solaren Einträge in den Wintermonaten und sind wesentliche Anteil der Optimierung des Energieregimes und der Behaglichkeit. Die haptisch wärmere zweite Schicht der Holzleichtbaukonstruktion reagiert bewusst an die Anforderungen des Komforts und des Schallschutzes ebenso wie die robusten und pflegeleichten Materialen der Innenräume. Der Geh- und Radweg an der Poststrasse, der an das Gebäude angrenzt, wird durch ovalkronige Baumgattungen beschattet. Das grüne Band erfährt einen Unterbruch durch den sich nach außen schiebendem Platz zum Abstellen von Fahrrädern und einer Haltezone.

      • Über eine lang gezogene Rampe von der Poststraße gelangt man zum Entree, dem grünen Platz. Die Pflanzflächen spielen mit der Topografie und bringen Verdunstungskühle in den Hof. Eine üppige Staudenkombination, Gräser und mehrstämmige blühende kleinkronige Gehölze gestalten den Raum. Die Flächen begrenzenden Sitzelemente schaffen Aufenthaltsqualität am Platz. Sommer- wie Wintergrüne organisch geschnittene Hecken bilden als grünes Rückgrat den Übergang zum Bahnsteig. Im fünften Obergeschoss öffnet sich ein 120 M2 großes luftiges Stadtfenster. Eine mit Blauregen berankte Pergola bildet ein grünes Dach und schafft ein ausgleichendes angenehmes Klima in luftiger Höhe, mit Weitblick auf die Stadtlandschaft. Pflanzgefäße als Sitzmöbel ausgebildet gliedern den Raum. Das Nebengebäude der Tiefgarageneinfahrt des Wirtschaftshofes ist mit Schlingpflanzen berankt, die auch das Dach umfassen. Ein großkroniger Solitärbaum bestimmt den Raum. Ausschließlich die für die Anlieferung erforderlichen Flächen werden befestigt. Alle anderen Flächen sind Wiesenflächen eingeschlossen die Wartungszufahrt die als Schotterrasen ausgebildet.

        aus dem Jurybericht

        "... Projekt Nummer 9 reagiert auf die stadtseitig grundgelegte Masterplanung (aufgereihte Solitärbaukörper entlang der Bahntrasse) mit einer überaus sorgfältigen Behandlung der Freiräume. Zwischen Poststrasse und Bahnsteig spannt sich ein hochwertig gestalteter Freiraum auf und bildet einen Auftakt und Vorbereich für das gegenständliche Projekt, ist aber auch als städtebauliche Ansage der in Bahnhofsrichtung liegenden Nachfolgebaukörper zu verstehen. Die ostseitig erschlossene Eingangshalle bietet den Besucher*innen und dem Empfang optimalen Überblick und Orientierung. Arzt- und Besprechungsräume, aber auch die Vertikalverbindung für die Bediensteten, sind auf kurzen Wegen erreichbar. Der Aufenthalts- und Wartebereich erweitert sich funktional und visuell zum östlichen Vorbereich, lässt diesen gewissermaßen auch in das Hausinnere wirken. Die attraktive, klare und offene Raumfolge setzt sich auch in der Höhenentwicklung über alle Geschosse fort. Die Regelgeschosse (interne Arbeitsbereiche) zeichnen sich durch räumliche Weite, Übersicht, große Flexibilität und hohe Aufenthalts- und Arbeitsqualität aus. Die Nebenraumzone ist zum weniger attraktiven Norden (Bahnkörper) orientiert. Die vertikal durch die Geschosse mäandrierenden Lufträume sorgen für ungewöhnliche Blickbeziehungen, Querbezüge und Vertikalverbindungen wodurch die Einzelbereiche zu einer gemeinsamen Organisation verbunden werden, die im Dachgeschoss so etwas wie eine Krönung erfährt. Der kompakte, ökonomische Baukörper wird durch einen feinsinnigen Umgang mit den Niveauunterschieden der Umgebung und einer höchst sensiblen Fassadengestaltung der schon sprichwörtlichen Banalität des Würfels entrückt. Alles in allem ist das Projekt ein Beitrag, der die Sinnhaftigkeit des Wettbewerbsverfahrens bestätigt und sowohl für die Auftraggeber- und Belegschaft als auch für die Stadt auf allen Ebenen ein optimales Ergebnis verspricht."