Campus Wattwil Ersatzneubau Kantonsschule (KSW)
2021
Bildung
9630 Wattwil, CH
7. Preis EU-weiter Wettbewerb
Kanton St. Gallen Hochbauamt
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Lui
Topographie - Vernetzung - Campusgedanke
Die Bewegung und die Gerichtetheit der Thur bilden die städtebauliche Vorgabe an den sich der Campusgedanke beidseitig anlehnt. Aus dieser Bewegung heraus bilden sich Sequenzen, die parallel zu den Uferzonen den unterschiedlichsten Nutzungen folgen. Dabei spielt die neue Brücke das Zünglein an der Waage das sich im Tagesverlauf dem Grad des Austausches unter den beiden Schulen KSW und BWZ verändert. Die beiden neuen Plätze am Brückenkopf illustrieren in der Kernzone des Campus einen Ankerpunkt, bieten dem Ort Identifikation. Die Lage der Brücke ist so gewählt, dass sie die gemeinsam genutzten Räume der beiden Schulen tangiert und so auch als öffentlicher Verbindungsraum innerhalb der Gemeinde wahrgenommen wird. Diesem Aufforderungscharakter folgend greifen eine Reihenfolge von kleinen Plätzen und Wege im und um die neue Kantonsschule als verbindendes Element in das durchlässige bestehende Wegenetz.
Horizontale Schichtung - Landschaft und Allmende
Dem Gedanken der abgestuften Uferflächen folgend schichten sich Sequenzen von unterschiedlichen Nutzungen horizontal von außen nach innen. Während der eigentliche Uferbereich naturbelassen mit Sitzstufen die Thur begleitet bildet ein artifizielles, breites und poröses Naturband auf der anderen Seite des Uferwegs den Vorbereich der ”grande arcade” der Kantonsschule. Diesen gedeckten Frei- Lern- und Erholungsräumen folgen im Erdgeschoss die von beiden Schulen gemeinsam genutzte öffentliche Zone mit Foyer, Mensa und Mediathek um mit dem Verlauf aus Aula, Referateraum, Räumen der Musik und einem Infrastrukturpaket anzuknüpfen. Eine bewaldete Kraut- und Strauchschicht an der Ebnaterstrasse bildet den Abschluss dieser horizontalen Schichtung.
Im Bereich der Mediathek erstrecken sich organische Pflanzflächen mit Wildstauden, Gräser und mehrstämmige Gehölze. Diese sind mit unterschiedlich breiten, wassergebundenen Wegen und Plätzen mit Verweilflächen durchzogen. Kleine, extensiv begrünte Pavillons laden zum Chillen oder Lernen ein. Dieses farbenfrohe Wildstaudenblütenband stärkt die Biodiversität des Siedlungsraums und setzt sich vor der Mensa mit Hochstammbäumen fort. Kraut-, Strauch- und Baumschicht mit unterschiedlichen, ortsüblichen Verwandten bilden durch ihre Blüten, Früchte und Färbung einen wechselnden, diversen Filter zum Straßenraum der Bahnhof- und der Ebnaterstrasse. Sie sind wichtige Pollen- und Nektarspender und durch ihre Früchte Nahrungsquelle, sowie Lebensraum für Vögel, Kleintiere und Insekten. Der südseitige Schulfreiraum zusätzlich als Experimentierfeld für die Schüler*innen der Academia zur Verfügung. Hier können sukzessive verschiedene Biotope von der Schotterbank bis zur Benjeshecke angelegt und erforscht werden.Vertikale Schichtung - Raum lernen und lehren
Die Dreigeschossigkeit mit einem überhöhten Erdgeschoss ist der orträumlichen Implementierung ebenso geschuldet wie der qualitätvollen, gestuften Klarheit im Inneren. Wie sich im Erdgeschoss die übergreifenden Nutzungen der Schulen aber auch der Öffentlichkeit präzise sammeln so gliedern sich die beiden Obergeschosse in gleicher Gewissheit. Das erste Obergeschoss ist den Naturwissenschaften, der Geographie, der Informatik und dem bildnerischen Gestalten vorbehalten. Dem zweiten Obergeschoss wohnen ausschließlich die Normalunterrichtszimmer sowie die Räume der Lehrpersonen inne. Die rurale Didaktik des Daches krönt die oberste Sequenz. Es sind unterschiedliche Bezugsebenen, die dreidimensional miteinander interagieren und von jedem Punkt im Gebäude die strukturelle Gesamtheit der Schule erfassen lassen. Diese vernetzten ”rues intérieures” folgen im Wesentlichen der Längsausrichtung des Gebäudes und sind sowohl Erschließungsflächen, Garderobe als auch Begegnungszone mit unterschiedlich verteilten Lerninseln und Freiterrassen.
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Die zum Teil verglasten, zum Teil offenen Lufträume der westlichen ”rues intérieures” verbinden die Geschosse mental und physisch miteinander. Die östlichen ”rues intérieures” ordnen sich um Patioräume, die sich im Naturwissenschaftsgeschoss zum Labor oder zur windgeschützten Freiklasse erweitern lassen. Nur zweimal wird diese Schichtung zur Thur miteinander verbunden, einmal ist es der zweigeschossige Wintergarten der Biologen ein ander Mal ein überlagernde Terrassenlandschaft. Diese Zäsur ist sowohl Identifikation stiftender Orientierungspunkt nach innen wie im Außen. Die Dachterrassen folgen den didaktischen Zielen eines sinn- und maßvollen Umgangs mit der Natur und deren Ressourcen. Neben der Wetterstation der Physiker bieten kleine Gewächshäuser, Hochbeete und andere Lehrgärten die Möglichkeit sich das Gedeihen zu beobachten und zu pflegen. Aquaponicanlagen und andere Agrartechniken wie mit Urban-Farming können hier unmittelbar erfahren werden. Das kleine Untergeschoss ist nicht nur dem Verwahren vorbehalten, vielmehr befindet sich hier ein weitere Aquaponicanlage, die mit den Rankbeeten der Patioräume kommunizieren.
Tragstruktur – Flexibilität - architektonischer Ausdruck
Die Tragstruktur des 16 Meter hohen Gebäudes besteht oberirdisch aus einem Skelettbau in Holzbauweise mit Holzverbunddecken und im Untergeschoss einem klassischen Massivbau aus Stahlbeton. Ein ”Werkstattraster” im Achsmaß von 8,50 x 8,50 Meter überdeckt konsequent die gesamte Konstruktionsstruktur. Der 60 cm hohen Haupt- und Nebenträger bilden mit einer Holzverbunddecke eine Rippendecke, die in ihrer Ausrichtung schlüssig der gewünschten Flexibilität garantiert. Montagefreundliche Systemwände gewährleisten in den beiden Obergeschossen in einfacher Weise diesen Anspruch. So kann in diesen Bereichen in kurzer Zeit den geänderten pädagogischen Anforderungen nachgekommen werden. Zur horizontalen Aussteifung gegen Wind und Erdbebenkräfte sind sämtliche Treppenhäuser und Liftwände statisch wirksam. Das Brandschutzkonzept dieses dreigeschossigen Hauses basiert auf der effizienten Situierung der Treppenkerne wodurch ein einfaches Fluchtwegeschema entsteht. Die innere vertikale Schichtung findet ihren selbstbewussten Ausdruck auch im Äußeren. Die abgesetzte Gliederung der Holzlamellen unterstützt die innere Anpassungsfähigkeit, lässt die Zonierung erkennen und bildet mit seiner Tektonik einen rhythmischen, ruralen Charakter, dessen Schattenspiel sich in der Thur wiederspiegelt. Der eleganzlose aber ehrliche Einsatz der Materialen im Inneren gibt den Räumen ein offenes Werkstattambiente.
Gebäudetechnik – Wirtschaftlichkeit
Das gesamte Projekt der KSW ist auf Grund seiner Kompaktheit Flächen- und Energieeffizient. Die Erschließungs- und Aufenthaltsflächen können dank der guten Tageslichtsituation und der reduzierten Brandschutzanforderung auf Grund der Fluchtwegehöhe einer optimalen Nutzung zugeführt werden. Die gesamte Umsetzung der Gebäudetechnikentspricht dem Standard Minergie P ECO unter Berücksichtigung integrierter Prozesse. Die örtlich vorhandene Fernwärmeversorgung versorgt das gesamte Gebäude und unterstützt die großflächige Photovoltaik am Dach. Die großzügigen Fensterfronten sind in vielen Teilen des Gebäudes Teil eines Querdurchlüftungssystem zur nächtlichen Nachkühlung. Die mittige Haustechnikzentrale im Untergeschoss gliedert sich in zwei Verteilersysteme. Die beiden Steigzonen in den Treppenhausbereichen Nord und Süd verästeln sich mittig im Gebäude wie ein Farnblatt und gewährleisten die technische Elastizität. Durch die gewählten Maßnahmen entsteht eine robuste, langfristig gut nutzbare Baute mit hohem Gebrauchswert, relevanter Wirtschaftlichkeit, bedeutender Energieeffizienz sowie nachhaltiger räumlicher und architektonischer Wirkung.