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Werbeagentur Konzett Bregenz

2000 - 2003

Büro

6900 Bregenz, AT

direkter Auftrag

EA Generali Allgemeine Immobilienverwaltungs Ges. m. b. H.

Fotocredits: Bruno Klomfar, Büro D\M

    • L’architecture écologique du Vorarlberg
    • Space Modulator
    • Architektur Fachmagazin
    • Mit Glas gebaut

      Die Werbeagentur Konzett, eine der grossen in Österreich platze förmlich aus den Nähten, als sie im Sommer 2001 an die Architekten Dorner\Matt mit dem Wunsch herantrat, ihre neu angemieteten Räumlichkeiten in der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz am Bodensee neu zu gestalten. Die ca. 700 m2 im 3. Stock eines Industriebaus aus dem Jahre 1887 boten nichts als Platz, neu eingebaute Fenster und einen unglaublichen Rundblick von den nahen Dreitausendern der nördlichen Kalkalpen über das weiche Voralpengebiet bis weit hin über den Bodensee.

      Diese Qualität wurde von den Architekten und dem Bauherrn als Luxus wahrgenommen. Der Luxus dieses Ortes war der ”Weitblick” und dieser sollte verstärkt als Kapital der Agentur in Szene gesetzt werden. Zudem sollte, um sich auch klar von den Konkurrenten abzusetzen, ein eigenes, klares Gestaltungsprofil vermittelt werden. Die Architekten entschieden sich den vorgefundenen rohen Industriecharakter fortzusetzen und zu verstärken, also bewusst Materialien einzusetzen, die urbaner sind als die sonst ortsüblich – traditionellen. Die nur wenig benötigten Zellenbüros und ein Besprechungsraum kamen der Absicht der Architekten eine offene Struktur zu entwickeln entgegen. Ein schwarzer Anhydritestrich überzieht die gesamte Fläche der Agentur. Die von Oberlichten abgeschlossenen Trennwände wurden vor Ort in Beton in eine Bretter-schalung gegossen, die Fugen blieben unbehandelt. Die Nurglastüren dazwischen verstärken den Charakter der freistehenden Trennwand. Der zentrale Besprechungsraum wurde mit dünnen Bleiplatten, die üblicherweise von Dachdeckern verwendet werden, überzogen. Ein grosses Garagenrolltor gibt bei Bedarf das Innere dieses Raumes frei. Schon während der ersten Gespräche mit dem Bauherrn wurde anfänglich scherzhaft, dann aber immer ernster darüber nachgedacht das darüber liegende Flachdach zu öffnen und den Kunden am oben erwähnten Luxus des Rundblickes exklusiv teilhaben zu lassen. In mehrern Gesprächen wurde so die Idee des ”Think-Tank” geboren, eine gläserne Zelle über den Dächern von Bregenz, in der ”die Kreativen bei kreativem Notstand zur Inspiration verleitet werden sollen”, so der Agenturchef.

      Der Fussboden der selbsttragende Nurglaskonstruktion liegt ca. einen Meter über dem bestehenden Flachdach. Die gesamte Konstruktion wurde am Dach so positioniert, dass sie über dem oben erwähnten Besprechungsraum liegt. Dadurch erhält der Besprechungsraum natürliche Belichtung und Belüftung. Während also der unten Arbeitende sich in einem meditativen, statischen Raum befindet, gleitet der darüber nach Inspiration Suchende über die Dächer hinweg. Die beiden steilen Zugänge gleichen Schiffstreppen und verstärken den Eindruck des Aufsteigens. Die selbsttragenden Gläser geben dann den Blick uneingeschränkt weit in die Ferne frei und wenn man sich im Sofa niederlässt und an die Decke blickt spiegeln sich die Wellen des nahen Bodensees. Beispiele von Glas als tragendes Element sind bekannt, doch diese Anwendung stellte aufgrund der Bauaufgabe und der hohen Belastungen eine besondere Herausforderung an Statik, konstruktives Glasbaufachwissen und eine professionelle Umsetzung.

      Das Gebäude hat eine Dachfläche von 7,70 x 7,70m und eine Raumgrösse von ca. 5,80 x 5,80m. Die Raumhöhe bzw. die Höhe der statischen Glaselemente beträgt auf der einen Seite 2,40m, auf der anderen Seite 3,30m. Als Grundkonstruktion und für den unteren Anschluss wurde eine massive Stahlkonstruktion gewählt, wobei es nicht ganz einfach war diese tragfähig in den alten Bestand mit einer Vielzahl von unbekannten statischen Grössen einzubinden. Diese Stahlkonstruktion dient nicht nur als Auflager der statisch tragenden Glaselemente sondern auch als Podest und Zwischendecke, sowie als Unterkonstruktion für die Oberlichtverglasungen des darunterliegenden Besprechungsraumes. Die Wände bestehen aus 8 statisch tragenden Wandscheiben, die sich jeweils in den Gebäudeecken befinden (LAMIMART® - VSG aus TVG 10mm, ESG 19mm, PVB 1,52, TVG 10mm, Gesamtglasstärke 42mm).

    • Die Ausfachungen zwischen den Elementen bestehen aus SECURMART® - ESG Fixverglasungen bzw. GM TOPROLL Schiebeglasanlagen. Die Dachkonstruktion aus Stahlprofilträgern mit Holzausfachungselementen, Folienabdichtung, Isolierung und metallischer Deckenuntersicht, sowie Verblechungen hat ein Gesamtgewicht von ca. 5,6 Tonnen. Bei der in Bregenz anzusetzenden Schneelast ergibt sich somit eine maximale Dachlast von Eigengewicht und Schnee von ca. 13 Tonnen. Diese Last wird ausschlissslich über die 8 statisch tragenden Elemente in die darunterliegende Geschossdecke abgeleitet. Der „think tank“ befindet sich ca. 25m über Niveau in äusserst ausgesetzter Lage. Die dadurch zu berücksichtigenden Windkräfte und erforderliche ausfachende Wirkung derselben Glaselemente, inbesondere die bestmögliche Anbindung der Krafteinleitungspunkte stellte anfangs in Ermangelung detailierter Grundlagenforschung viele unbeantwortete Fragen. Die mechanischen Prinzipien von Fest- und Loslage wurden durch Gleitlager mit geneigter Gleitpaarung sowie durch wartungsfreie Gelenksköpfe mit Axialgelenkigkeit sichergestellt. Unter Berücksichtigung der hohen radialen Beanspruchung wurde durch die Gleitlager die axiale Kraftkomponente gering gehalten. Weiters wurde vorausgesetzt, dass sich bei einem Resttragszenarium die Grösse der Kippwinkel der achsialen Richtung ausschlaggebend auswirken können (eingeschränkte Gelenkigkeit in Achsialrichtung). Einerseits die Montagetoleranzen und andererseits die Verformungen infolge der Wärmeausdehnung mussten komplett separat betrachtet und klar definiert berücksichtigt werden.

      Grösstes Augenmerk wurde auf die Materialwahl der Gleitlagerteile und der sich in den Bohrlöchern befindlichen Füllteile gelegt. Durch die Mitarbeit im Arbeitskreis für punktgestützte Gläser e.V., Köln war es möglich, die Grundlagen für die Ausführung und den statischen Nachweis zu erarbeiten. 7 Forschungsarbeiten waren erforderlich, um eine Grundlage für das geeignete Material zu erhalten. Die Versuche unter Berücksichtigung des tatsächlichen Vorspanngrades der Glasscheiben selbst wurden von der RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau, Ingenieurtechnik und konstruktiver Glasbau unter der Leitung von Professor Dr. Ing. G. Sedlacek durchgeführt. Mit Verwunderung musste festgestellt werden, dass unterschiedliche Hülsenmaterialien doch beachtlichen Einfluss auf die Bruchbelastungen haben.

      Die von Anfang an durch die Firma GLASMARTE favorisierten Spezialgleitkunststoffe haben sensationelle Eigenschaften unter Beweis gestellt, während Aluminiumhülsen oder Vergussmaterialien wie sie bei der Befestigungstechnik eigesetzt werden, deutlich abgeschlagen unter den Erwartungen blieben. Diese Grundlagenforschungen können als bedeutendes Etappenziel auf dem Weg, die bestmögliche Stahl – Glasverbindung  für durchbohrte Glaselemente zu finden, betrachtet werden.

      Das Problem bestand darin, die erforderlichen Sicherheiten durch die vorgenannten „sehr bedeutenden Kleinigkeiten“ herzustellen und nachzuweisen, da aufgrund der Bausituation ausschliesslich die 8 Scheiben in den 4 Gebäudeecken sämtliche Funktionen der statischen Tragfähigkeit übernehmen müssen. Durch das Büro Delta X (Dr. Burmeister) konnte rechnerisch der Nachweis geführt werden, dass selbst bei Ausfall eines kompletten Glaselementes ausreichend Tragfähigkeit gegeben ist und dass erst bei Komplettversagen eines Eckelementes (2 Glaselemente) bei Maximalbelastung (Schnee und Wind) Grenzwerte der Reststandfähigkeit erreicht werden. Das Gebäude ist nun seit eineinhalb Jahren fertiggestellt und hat sich bei allen Baubeteiligten und Benutzern sehr bewährt und eine ausserordentlich hohe Akzeptanz erfahren.

      Glas, ein Baustoff aus Licht, der vieles andere in den Schatten stellt.