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Sozialzentrum Haus der Generationen Götzis

2003 - 2006

Pflege/Gesundheit

6840 Götzis, AT

1. Preis EU-weiter Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Marktgemeinde Götzis / VOGEWOSI Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft mbH

Fotocredits: Bruno Klomfar, Gerhard Klocker, Büro D\M

  • The international Architecture Award 2009
  • 1. Preis Innovationspreis des Staatssekretariats für Kunst und Kultur 2008
  • Best of Austria 2008_09
  • Elderly residential complex
  • architektur.aktuell 2008
  • Obwohl von den Architekten nicht vordergründig thematisiert, durchzieht eine kräftige Ahnung der Seventies das äußere Erscheinungsbild. Diese Affinität ist durchaus eine persönliche und findet sich als Spannungselement an verschiedenen Bauten der beiden Bregenzer Architekten, die ihre berufliche Sozialisation in Wien und bei Jean Nouvel in Paris erfahren haben.

    Belebte Gesamtform

    Das Ortszentrum von Götzis verlagert sich erst im 19. Jahrhundert an den heutigen Standort und formiert sich mit einer neuromanischen Pfarrkirche (1863), einer spätklassizistischen Volksschule von 1887 und den beiden Bauwerken des Pflegeheims zu einem offenen, parkartigen Ensemble. Die aktuelle Erweiterung mit 36 Pflegebetten und verschiedenen öffentlichen Sozialeinrichtungen schließt über eine Brücke mit vorsichtiger Distanz an den 1980 entstanden Bau von Leopold Kaufmann mit insgesamt 112 Betten an, einem gedrungenen Massivbau in einer für Kaufmann typisch kräftigen Architektursprache, den man spontan in die späten 1960er Jahre datiert hätte. Der dreigeschossige Baukörper zeigt zwei Pflegegeschosse mit den beiden Wohngruppen und zum Platz ein öffentliches Sockelgeschoss mit dunklen Rahmenelementen und mittelbraunen, opaken, bzw. durch Vorhänge abgeschirmten Glasflächen. Er bezieht durch die kubische Aussenform eine feste Stellung zur südlich angrenzenden Strasse und zu den kompakten Volumen der Schule und Kirche. Über drei Einschnitte entstehen aber differenzierte Aussenräume und die notwendige Belichtung. Ein waagrechter Einschnitt zum Platz schaltet vor den Pflegebereich eine grosse, erhöhte Terrasse, die mit hüfthohen Gartenbeeten einen notwendigen abgeschlossenen Bewegungsbereich bildet. Ein weit auskragender Rahmen mit ausfahrbaren Sonnenschutzsegeln vervollständigt die Gesamtkontur. Zwei vertikale Hofeinschnitte bilden zum einen den Eingang zu den öffentlichen Diensten, der durch den Verbleib des Eingangs zum Pflegeheim im Altbau im Gestus etwas überzeiht. Zum anderen entsteht nordseitig zum Bestand ein von raumhohen Glasflächen begrenzter Hofraum, der wie ein grosser Schaukaten Sichtbezüge zwischen den Geschossen und zu den zentralen Aufenthaltsbereichen und Pflegebädern herstellt. Um sie lagern sich pro Geschoss zwei einhüftige Zimmerflügel, die ein offenes und gut belichtetes Wegenetz ergeben. Ein Erschliessungskern mit Lagerräumen sitzt an deren Kreuzungspunkt. Die grosse Offenheit, der hohe Bedarf nach Licht und die ausgiebigen Sichtbezüge bilden mitunter ein Konflikt zum gleichzeitigen Wunsch nach Intimität dem die Architekten durch möblierte Inseln entgegen kommen.

    Über das Zusammenleben

    In den jüngsten Jahren ist die Betreuung dementer Menschen immer stärker in den Vordergrund gerückt. Das Krankheitsbild, das eine langsam zunehmende Desorientierung im Alltag bedeutet, ist betreuungsintensiv. Hier trifft sich die gestalterische Beweglichkeit und eine gewisse Experimentierfreudigkeit mit der Welt der Bewohner. Mit Blick auf deren eingeschränkte Mobilität und dem hohen Bedürfnis nach Orientierbarkeit wurde eine Dichte an sinnlichen Angeboten geschaffen. Einbauten aus Eichenholz kennzeichnen die Zimmer, der Erschliessungskern wurde aus der gleichen Betonmischung gegossen, wie die Aussenfassade. Durch eingelegte Heizschlangen wurde das Ganze in einen grossen Kachelofen verwandelt. Die Betonfassade besteht aus einer Mischung aus rotem Tennissand und Klinkerbruchziegeln. Durch eine spezielle Waschbetontechnik entsteht somit ein visueller und haptischer Reichtum. Diese Dichte an kognitiven Reizen erbringen auch die fotografischen Arbeiten des Künstlers Ernst Trawöger, welche als bedruckte Leinwände akustisch wirksam vor die gesamten Wandflächen zwischen den Bewohnerzimmern gesetzt wurden. Ausschnitthafte Motive aus dem Ort ein markanter Stadel, ein Kirchturm, ein Detail des Freibades wurden farblich sanft verfremdet und verleihen jedem Zimmereingang eine intuitiv erfassbare Identität. Das ursprüngliche architektonische Konzept leidet etwas unter der aktuellen Nutzungsverteilung. Die im Wettbewerbsprojekt ortsbaulich angelegten Bezüge und Aktivitätsknoten wurden schliesslich nach kräfteraubenden Dialogen mit acht verschiedenen Nutzergruppen nur teilweise angenommen. Die Kindergruppe hat sich für eine hofseitige Lage entschieden, der Jugendtreff wurde ebenfalls anrainerschonend an der Rückseite situiert, sodass der markante Eingang im gebäudehohen Einschnitt zum Platz mit einer Arztpraxis und dem nur zeitweilig besetzten Krankenpflegeverein etwas unterbelebt ist.

    Architekturtradition Götzis, eine Marktgemeinde mit rund 10.000 Einwohnern hat architekturgeschichtlich durchaus eine Namen. Rudolf Wägers berühmtes Würfelhaus (1965) findet sich dort, aber auch junge Beispiele, allen voran die überregional bedeutsame Kulturbühne „Am Bach“ vom Schweizer Architekten Hubert Bischoff auch dem Jahr 2000, aber auch zwei ausgefeilte Sichtbetonbauten von Cukrowicz/Nachbauer (Ringsportzentrum, 2004) und Frei/Ehrensperger (Bankgebäude, 1999).
    Ein hohes Gestaltungsbewusstsein ist also Bekenntnis und Programm verknüpft mit der Person des Bürgermeisters, der auch im Vorstand des Vorarlberger Architekturinstitutes amtiert. Aus dieser Haltung wurden auch die Planer des vorliegenden Erweiterungsbaus über einen EU-weiten Wettbewerb ermittelt, der mit Gespür für den bauliche Maßstab auch den öffentlichen Raum wirksam bespielt. Bemerkenswert ist letztendlich das intensive Zusammenspiel von Architektur, künstlerischer Gestaltung und der Freiraumplanung von Ursula Kose und Lilli Licka, das räumliche Angebot leistet und den Ort städtebaulich klug für die Menschen im und um das Gebäude erschließt. (Text: Robert Fabach)

  • Eine Aufgabe für viele - die Rolle der Bauherren

    Die Marktgemeinde Götzis mit über 10.000 Einwohnern liegt im Herzen des Rheintals in Vorarlberg. Qualitätvolle Architektur hat in Götzis Tradition. Ein hohes Gestaltungsbewusstsein und ein sorgfältiger Umgang mit städtebaulichen Fragen ist hier Bekenntnis und Programm, verknüpft mit der Person des Bürgermeisters Werner Huber, der auch mit grosser Leidenschaft Vorstandsmitglied des Vorarlberger Architekturinstitutes ist. Aus dieser Haltung heraus wurde ein EU-weiter Wettbewerb ausgeschrieben, um eine ideale Lösung für den Neubau des Sozialzentrums Götzis zu finden.

    Die im Siegerprojekt vorgeschlagene städtebauliche räumliche Erweiterung wurde vom Bürgermeister mit ebenso viel Gefühl der Bevölkerung vermittelt wie die Bedeutung der Umsetzung der gehaltvollen Architektur des Wettbewerbsbeitrags. Die gemeinnützige Vogewosi Dornbirn errichtete im Baurecht mit grossem Engagement und Freude das neue Gebäude, in dem schlußendlich neun unterschiedlichste Nutzergruppen eine neue Heimat fanden.

    In langen fruchtbaren Diskussionen mit diesen neun Nutzern und unter der wirksamen Unterstützung des Bürgermeisters und der Heimleitung wurde ein Projekt entwickelt, das heute das Potential aufweist die unterschiedlichen Ansprüche von verschiedenen Generationen konfliktfrei zu befriedigen. Dieser Ort der Kommunikation und Begegnung wurde in diesem Sinne von allen erfolgreich erobert. Bemerkenswert ist letztendlich unserer Meinung nach, dass das intensive Zusammenspiel von Bauherr, Nutzer, Architekten, künstlerischer Gestaltung und der Freiraumplanung ein reichhaltiges räumliches Angebot anbietet und den Ort für die Menschen im und um das Gebäude städtebaulich bedacht erschließt.

    Ein philanthropische Aufbruch - eine gestalterische Herausforderung für Generationen

    In den jüngsten Jahren ist die Betreuung und Heilung älterer und im besonderen dementer Menschen immer stärker in den Vordergrund gerückt. Im Jahr 2050 wird ein wesentlich grösserer Teil der Menschen über sechzig das Bild der österreichischen Gesellschaft prägen als noch heute - aber die Krankheitsbilder des Altern bleiben dieselben. Auch aus diesem Grund sind in den letzten 10 - 15 Jahren die verschiedensten Modelle zum betreuten Leben im Alter angedacht worden. Allen gemeinsam war das Ziel ein Leben in größtmöglicher ”Normalität” zu führen.  Trotz zum Teil massiver körperlicher bzw. geistiger Behinderung soll ein Umfeld für den Alltag geschaffen werden, das sich dem bis dahin geführten Leben annähert. Das Krankheitsbild, das eine langsam zunehmende Desorientierung im Alltag bedeutet, ist betreuungsintensiv. Hier trifft die gestalterische Beweglichkeit und eine gewisse Experimentierfreudigkeit des Architekten auf die Welt der Bewohner und der Betreuer.

    Der philanthropische Aufbruch bestand schließlich darin sich von den vorhandenen Paradigmen und traditionellen Grundrissmustern eines Altenheims zu entfernen und ein neues Feld zu betreten, das sich mit Blick auf die eingeschränkte Mobilität, dem hohen Bedürfnis nach Orientierung und der Selbstbestimmtheit des betagten Menschen auseinandersetzt. Dabei hat ein dichtes Angebot an sinnlichen Reizen einen ebenso zentralen Einfluß, wie die soziale Kontrolle und die angemessene Privatheit.

    Das Ziel des Entwurfes war es also aus diesen Überlegungen räumliche Qualitäten zu generieren. So umschließt die nach Außen gerichtete Privatheit der Zimmer die gemeinsam genutzten Bereiche im Inneren und vermittelt zwischen ihnen. Die beiden tiefen Einschnitte ins Gebäude schaffen stimmungsvolle Orte, differenzierte Aufenthaltsbereiche und kommunikative Verknüpfungen. Das neue Gebäude selbst geht mit den umgebenden Gebäuden eine neue zentrale städtebauliche Partnerschaft ein und bildet mit der Kirche eine ortsräumliche Referenz.

    Eine städtebauliche Chance - ein neues, altes Zentrum

    Das Ortszentrum von Götzis verlagerte  sich erst im 19. Jahrhundert an den heutigen Standort und blieb seither mit der neuromanischen Pfarrkirche (1863) und der spätklassizistischen Volksschule von 1887 stadträumlich unbearbeitet. Erst im Jahr 1980 wurde das von Leopold Kaufmann geplante und von der Gemeinde errichtete Altenheim im Rücken der Schule in den Stadtraum als weitere Zentrumsergänzung eingefügt. Mit dem Neubau bzw. der Erweiterung des bestehenden Altenheimes zu einem in gesellschaftstheoretischer Sicht zeitgemässen Sozialzentrums bot sich die einmalige Chance der Neubewertung des öffentlichen Raumes im geographischen Zentrum von Götzis.

    Innerhalb des Gebäudegefüges um die Kirche, des bestehenden Altenheims und der Schule entdeckten wir eine nicht genutzte, fast vergessene Freifläche im Besitz der Gemeinde. Mit den vorhandenen Strukturen und dem städtebaulich sorgfältig plazierten neuen Gebäude wurde diese Freifläche in das vorhandene ortsräumliche Fusswegenetz eingebunden und in den Status eines öffentlichen Raumes gehoben - “der Garten der Generationen“. Dabei bilden die den Schauseiten abgewandten Flächen der Schule bzw. der Kirche und die Öffnungen des neuen Hauses Platzwände, deren Flanken sich einerseits zum Marktplatz und in die andere Richtung zum Ortsteil ”Dörfli” öffnen.

    Eine räumliche Verknüpfung -  die innere Organisation

    Das „Haus der Generationen“ vereint als verschiedene Einrichtungen von der Mutter-Kind-Beratung, dem Dorfarzt, dem Jugendclub, der Kleinkinderspielgruppe, dem Krankenpflegeverein, dem AKS  bis zum Pflegeheim. Erscheinungsbild und Struktur werden durch zwei tief ins Gebäude reichende Einschnitte geprägt, die jeder für sich jeweils Eingang und Vorplatz definieren. Eine der beiden Öffnungen lässt den durchgrünten neuen Park von Südwesten ins Innere des Gebäudes dringen, die andere gibt die Besonnung auf den Bestand nach Nordwesten frei.

    Das Gebäude selbst bezieht durch die kubische Aussenform eine feste Stellung zur angrenzenden Umgebung und zu den kompakten Volumen der Schule und der Kirche. Über die drei Einschnitte entstehen differenzierte Aussenräume - Natur und Licht drängen hier ins Innere des Gebäudes. Der waagrechte Einschnitt zum Platz schaltet vor den Pflegebereich eine grosse, erhöhte Terrasse, die mit hüfthohen Gartenbeeten einen notwendigen abgeschlossenen Bewegungsbereich für die Bewohner bildet. Ein weit auskragender Rahmen mit ausfahrbaren Sonnenschutzsegeln vervollständigt die Gesamtkontur.

    Zum einen bilden die zwei vertikalen Hofeinschnitte unterschiedliche Zugänge zu den öffentlichen Einrichtungen, zum anderen entstehen westseitig zum Park und nordseitig zum Bestand die von raumhohen Glasflächen begrenzten Hofräume. Einem  grosser Schaukasten gleich stellen sie Sichtbezüge zwischen den Geschossen zu den anderen Nutzungsbereichen und zu den zentralen Aufenthaltsbereichen der Wohngruppen her. Um sie lagern sich pro Geschoss zwei einhüftige Zimmerflügel, die ein offenes und gut belichtetes inneres Rundwegenetz ergeben. Der Erschliessungskern sitzt an deren Kreuzungspunkt. Eine gläserne Brücke verbindet den Bestand. Auch hier basiert das Konzept für die Pflegestationen gesamthaft auf dem Wunsch des Dementen nach Licht, Orientierbarkeit und Abwechslung!

    Eine sinnliche Erfahrung - Form, Material, Oberflächen

    Die sinnlichen Reize verändern sich mit zunehmendem Alter. Die Wahrnehmung der Welt des betagten Menschen ist eine reduzierte und es wird zunehmend schwieriger die sechs Sinne - so sie noch funktionieren - zu koordinieren.  Dabei spielt die haptische Erfahrung eine Sonderrolle, da sie im Gegensatz zu den anderen (Sehen, Hören usw.) schlechthin keinem Alterungsprozess unterliegt. Dieser Ansatz bildete die zentrale Basis für den gesamten Planungsprozess aus dem sich Form, Material und Oberflächen ableiten.

    Ein weiterer Aspekt bildet die Tradition der Vorarlberger Dörfer, in der öffentlichen Gebäude wie das Gemeindeamt, die Schule, das Altenheim etc im Gegensatz zu anderen Gebäudetypologien immer massiv gebaut wurden. Diese Überlegung wurde  auch  für die Wahrnehmung des neuen Gebäudes übernommen.

    Ähnlich einem Kunststeinmonolith wurde die äußere rostrote Sichtbetonstruktur bearbeitet. Er wurde ausgehöhlt, aufgeschnitten, durchbrochen und bildet schlußendlich das Bindeglied zwischen den drei wesentlichen Materialien Sichtbeton - Holz - Glas. Diesem theoretischen Ansinnen gingen zahlreiche Laborversuche mit Tennissand, Klinkerbruchziegeln und Eisenoxyd voraus. Am Ende entstand eine aufgeraute, warme, haptische Ziegelbetonoberfläche.

    Der Kontext zum zweiten Material findet sich in der unmittelbaren Umgebung. Die Gestaltung der neuen Zimmerfassaden orientiert sich an der spielerischen Leichtigkeit der gewachsenen Texturen der umgebenden Fachwerkhäuser. Beim Neubau wurde dasselbe heimische Holz - die Eiche - Intarsien gleich in die übergeordnete Form des Betons eingebetet.

    In den öffentlichen Bereichen der Hauses wurden bedruckte Gläser verwendet, die zum Einen dem Bewohner den notwendigen visuellen Halt geben, zum Anderen die Räume reichlich mit Licht versorgen, das für den Krankheitsverlauf und die Genesung des Dementen unerlässlich ist.

    Die Verwendung von Holz und dem Ziegelbeton wird im Inneren konsequent weiterverfolgt und vermittelt den Bewohnern das Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Die wohnlich anregende Aura der gemeinsam genutzten Bereiche wird durch das lebhafte Spiel des Tageslichts, das über die großen verglasten Gebäudeeinschnitte hereinflutet, erzeugt. Sitzbänke, Sofas, private Accessoires und die markanten, raumhohen ”Wandstücke” (photografische Zwillingsfragmente aus Götzis) des Künstlers Ernst Trawöger zwischen den einzelnen Zimmern verstärken diesen Charakter.