Sanierung und Erweiterung Volksschule Herrenried Hohenems
2014 - 2017
Bildung
6845 Hohenems, AT
1. Preis EU-weiter Wettbewerb mit offenem Verfahren
Stadt Hohenems Immobilienverwaltungs GmbH & Co.KG
Fotocredits: Bruno Klomfar
- best architects 19
- best architects 19 award Publikation
-
Architektonisches Konzept
Die Schulen ”Herrenried” bilden mit drei strukturell ähnlichen, mehrgeschossigen Gebäudetypen und dem Turnhallengebäude einen großzügigen, durchgrünten gut gefassten Campus. Diesen Solitären sind raumbildende eingeschossige Gebäudeteile zugeordnet.
Die Erweiterung der Volkschule ”Herrenried” folgt dieser Typologie, setzt sie fort. Die räumlich hohe Qualität des dreigeschossigen Bestandes bleibt dabei unberührt und wird durch ein eingeschossiges Gebäude mit Gartenhof erweitert. Innerer Charakter und äußere Lesbarkeit bleiben erhalten und durch einen ebenerdigen, fließenden Rundgang durch neue Räume erweitert.
Kinder verbringen einen beträchtlichen Teil ihrer Kindheit in der Schule, sie durchleben in der Schule entscheidende Phasen ihrer Entwicklung. Das dort praktizierte Lernen und Schulleben legt den Grundstein für lebenslanges Lernen, für die Freude am sich Bilden und Weiterbilden und für eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft. Schulen sind daher heute Arbeits- und Lernlandschaften, Orte der Begegnung, Orte zum Verweilen und sollen vor allem Orte sein, an denen Kinder miteinander wachsen und Gemeinsinn entfalten können. In Bewegungs-, Spiel-, und Erfahrungsräumen lassen sich dann Kreativität und Phantasie entfalten.
An der Schnittstelle zwischen Neu und Alt, am Vorplatz zwischen bestehendem Verwaltungstrakt und bestehender Turnhalle liegt zentral der neue Eingang und die Aula. Nach dem Prinzip einer Teilmenge bilden sich im gesamten Gebäude vier Cluster mit jeweils drei ”Stammklassen” ab. Der Hälfte dieser Klassen sind Gruppenräume direkt, der anderen mittelbar zugeordnet. Jedem Cluster sind ”Sonderräume”, wie Musik, Bibliothek oder Werken zugeordnet. Diese Räume besitzen hohen Aufforderungscharakter. Sie sollen die Schüler ermuntern das Gebäude zu durchwegen, zu benutzen und den Nachbarcluster zu besuchen.
Während in den drei Etagen des Bestandes das Netzwerk der Erschließung mit seinen Nischen eine Lernlandschaft formt, säumen sich im Neubau die Aufenthalts- und Arbeitswelten um den Hof des Schulgartens. Einerseits bilden die Duft- und Fruchtbeete des großzügigen Innenhofes Spiel-, Lern- und Lehrbereiche anderseits sind es Bewegungsflächen für die Tagesbetreuung. Auch die Aula lässt sich um diese Patio erweitern. Im Bereich der bestehenden Turnhalle und der Umkleiden liegt, als Teil des flexiblen Gesamtkonzepts des Zubaus, der Gymnastikraum.
Der Klassentrakt aus den sechziger Jahren des Vorarlberger Baukünstlers Much Untertrifaller Senior wird behutsam saniert, energetisch und ökologisch aufgewertet ohne dabei dessen räumliches Vorzüge aufzugeben. Mit dem bestehenden Gebäude und dem Zubau entsteht ein zeitgemäßer Schulbau mit offenen, flexibel bespielbaren Strukturen. Anpassungsfähigkeit und Übersichtlichkeit bilden hier die Grundlage für zukunftsweisende, sich ständig ändernde Lehrmethoden.
Die Errichtung des Zubaus erfolgt in Leichtbauweise. Der Innenausbau ist geprägt vom Spiel des vielseitigen Einsatzes von Holz, angepasst an Beanspruchung und Nutzung. Im Bestand wird Holz vorzugsweise zur akustischen und gestalterischen Verbesserung eingesetzt. Das intensiv genutzte Gründach des Neubaus verschmilzt als ökologisch rauer Filter mit den umgebenden Landschaften.
-
Projektentwicklung
Die Geschichte begann eigentlich mit einer Kaffeemaschine. Nachdem die Wettbewerbssieger Dorner \ Matt Architekten ihr Projekt dem Lehrkörper vorgestellt hatten kamen - trotz gut vorbereitetem Konzept und Zeitplan - große Bedenken auf, da die gesamte Schule im laufenden Betrieb um- und neugebaut werden sollte.
Zur Beruhigung ebenso wie zur Anregung überreichten die Architekten dem Lehrkörper beim nächsten Treffen eine funkelnagelneue Kaffeemaschine - so zu sagen als vertrauensbildende Maßnahme und im Sinne, dass alles gemeinsam ”machbar” ist. Der ausschließlich aus Frauen bestehende Lehrkörper hatte diese Geste richtig interpretiert und fort an wurde aus der Baustelle eine Lehrstelle in Bautechnik und Architektur. So wurden nicht nur die Lehrer, sondern im Besonderen auch die Volksschule Kinder aktiver Bestanteil dieses zweijährigen Um- und Neubauprozesses. Mit Modellen und anschaulichen Materialen wurden hier Baukunst vermittelt. Beim Umziehen in andere Klassen und natürlich bei Schmutz und Lärm wurden Prozesse beobachtet, diskutiert und eben auch über die anwesenden Handwerker gemeinsam mit den Architekten anschaulich nahegebracht.
Besonderes Feingefühl zeigten die Architekten auch gegenüber den politischen Gremien, da im Zuge der Untersuchungen des Bestandsbaus aus sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts des Vorarlberger Baukünstlers Much Untertrifaller Senior kostentreibende Maßnahmen notwendig wurden, um Inhalt und Form sinnfällig zusammenzuführen auch um letztlich den Kindern ein modernes pädagogisches Konzept anbieten zu können.
Das Verständnis für das räumliche Konzept und das Verständnis für die klare Juryentscheidung wuchs bei den Gemeindevertretern und den Nutzern mit dem Haus. Die Einzigartigkeit der offenen Strukturen, die sich um den mittigen Innenhof etablieren stießen mit jedem Bauvorschritt auf mehr Gefallen. Auch die offene Bibliothek, die anfänglich undenkbar war, wurde schrittweise als Bereicherung mit hohem Aufforderungscharakter zur Literatur, zur Sprache angenommen. So meinte die Direktorin, dass es ihr lieber ist, wenn die Kinder die Bücher unbemerkt mit nach Hause nehmen, als dass sie in einer versperrten Kammer versauern.
Auch der wohnliche und helle Charakter des Hauses und die haptisch angenehme Materialisierung wurde von den Architekten immer wieder gut vorbereitet gemeinschaftlich weiterentwickelt, so dass Funktion, Form und Nachhaltigkeit für alle gegeben war. Es konnte dann zu guter Letzt eine Schule übergeben werden bei der jeder das Gefühl mitnehmen konnte Teil eines gut geführten Prozesses gewesen zu sein.